Der Stadtraum stellt den räumlichen Kontext dar, in dem sich die Arbeit und Passion der „Stadterforscher“ bewegt. Er umfasst in deren Rahmen sowohl die öffentlichen, also für jedermann zugänglichen Bereiche von Agglomerationen, als auch Übergangs- und Schwellenbereiche zwischen privaten und öffentlichen Räumen, wie z.B. Kaufhäusern, Bahnhöfen oder Banken.

Der Stadtraum wird in diesem Zusammenhang nicht als geometrisch–physikalischer Raum gedacht, sondern als relativistischer, der sich aus Erfahrungen, Wahrnehmungen und Erlebnissen zusammensetzt. Räume erhalten laut MARSCHALL (2009, S. 171ff.) ihre Funktion und Bedeutung erst durch das Zusammentreffen von Menschen. Für LEVÈBVRE (1990, S.127) ist Raum ein Produkt sozialer Alltagspraxis. Besonders im Stadtraum überlagern sich räumliche und zeitliche Ebenen. Es treffen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Anschauungen und Interessen aufeinander. Stadtraum macht Austausch und Konfrontation möglich, wird jedoch seit vielen Jahrzehnten als bloßer Konsum- und Durchgangsbereich kritisiert.

Schon die Situationistische Internationale versuchte seit 1957 den als Konsumort verkommenen öffentlichen Raum zurückzuerobern. SENNET beschreibt in den achtziger Jahren den Stadtraum als monofunktionalen Durchgangsraum, der „seine unabhängige Erfahrungsqualität“ verloren hat (SENNET 2001, S.29). Versuche diesen Umständen entgegenzuwirken waren soziale Aneignungsformen wie das „Culture jamming“ (Umcodieren von Werbung als kritische Reflexion) in den 90er Jahren, auf die mit Kontroll- und Überwachungsmechanismen reagiert wurde (Vgl. MARSCHALL 2009, S. 180).

Auch heute führen unterschiedliche Interessen von Kommunen, Wirtschaft, Bürgern und Planern zu Konflikten rund um den Stadtraum, wobei sich die aktive Auseinandersetzung und die Einforderung von Bürgerrechten mancherorts als fruchtbares Moment zwischen den unterschiedlichen Gruppen erweist. Urban Gardening, Recht-auf-Stadt-Initiativen, Bürgerpartizipation oder künstlerische Stadtexpeditionen sind nur einige der zahlreichen Strategien, die die Relevanz des Stadtraums für das gesellschaftliche Zusammenleben bestätigt und weitere Analysen im Rahmen unserer Arbeit als „Stadterforscher“ legitimiert.

Der Begriff der Forschung bezieht sich im Rahmen unserer Tätigkeit jedoch nicht ausschließlich auf wissenschaftliche Forschungsmethoden. Wir möchten zum „Erforschen“ im erweiterten Sinne des Erkundens und Entdeckens anregen und dazu ermuntern, dass jeder Stadtbewohner seinen persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensraum als solchen nutzt und (an-) erkennt.

Marschall, B. (2009): Öffentlicher Raum als Theatraler Raum. – In: Bohn, R. u. H. Wilharm (Hrsg.): Inszenierung und Ereignis. Beiträge zur Theorie und Praxis der Szenografie. – Bielefeld, S. 171-187.

Levèbvre, H. (1990): Die Revolution der Städte. – Frankfurt am Main.

Sennet, R. (2001): The Fall of Public Man, dt. Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Tyrannei der Intimität. – Frankfurt am Main.